Negative Basiszinssätze adé? Die Frage nach der Anerkennung bleibt.
Vor dem Hintergrund der expansiven Geldpolitik der EZB (quantitative easing) hatte der FAUB in seiner Sitzung am 22.10.2019 hinsichtlich des Basiszinssatzes diskutiert, inwieweit es noch sinnvoll ist, unverändert an der Festlegung der Zinsstrukturkurve aus den Kupon-Renditen deutscher Staatsanleihen als Schätzer für den risikolosen Basiszins festzuhalten. Da in den letzten Jahren die Kupon-Renditen deutscher Staatsanleihen über die damals häufig (nahezu) gesamte Laufzeit von 30 Jahren im negativen Bereich verlief (vgl. IDW Life 06/2020 S. 595), hatte der FAUB sodann eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit der Frage der Ableitung des Basiszinssatzes vor dem Hintergrund der Niedrigzinsphase beschäftigen sollte. Eine Stellungnahme ist in diesem Zusammenhang vom FAUB bislang nicht erfolgt.
Im Hinblick auf die Berücksichtigung von negativen Basiszinssätzen bei Unternehmensbewertungen gibt es u.E. bislang keine Rechtsprechung, die diesen Sachverhalt explizit aufgegriffen hat. Darüber hinaus gibt es nach unserem Kenntnisstand auch keine wissenschaftliche Veröffentlichung, die sich explizit für oder gegen eine Berücksichtigung von negativen Basiszinssätzen ausspricht. Dem FAUB-Protokoll über die 143. Sitzung vom 18.02.2021 ist hinsichtlich der Steuerwirkungen des Basiszinssatzes zu entnehmen, dass bei einem positiven Basiszinssatz Ertragsteuern in Abzug zu bringen sind, während bei einem negativen Basiszinssatz eine Reduzierung der Steuerlast erfolgen solle.
Die Durchsicht von Bewertungsgutachten in unserer EACVA-Datenbank zeigt, dass überwiegend negative Basiszinssätze berücksichtigt wurden. Hierzu wurden die angewandten Basiszinssätze in Bewertungsgutachten und Prüfungsberichten im Rahmen von aktien-, umwandlungs- und übernahmerechtlichen Strukturmaßnahmen analysiert, deren Bewertungsstichtage im Zeitraum September 2020 bis März 2021 lagen. Im Ergebnis zeigte sich, dass bei fünf von acht Bewertungen ein negativer Basiszinssatz ermittelt und auch zugrunde gelegt wurde. Da aktuell nicht mehr davon auszugehen ist, dass es in näherer Zukunft negative Basiszinssätze geben wird, wird sich in der Rechtsprechung zeigen, ob die in der Bewertungspraxis angewendete Vorgehensweise Bestand hält.
Neue Rechtsprechung gibt es auch vom BGH zur Relevanz des Börsenkurses. Hierzu können Sie im aktuellen Heft die Kommentierung von Ruthardt lesen. Brunner/Franken zeigen aktuelle Analysen rund um die Marktrisikoprämie. Creutzmann/Stellbrink gehen der Frage nach, welche Unterlagen zur Ermittlung objektivierter Unternehmenswerte nach IDW S 1 notwendig sind. Schwetzler thematisiert die Verarbeitung von Inflationswirkungen in DCF-Kalkülen und Emmert gibt wieder einen Tipp im Umgang mit MS-Excel.
Wirwünschen Ihnen viel SpaßbeimLesen dieserAusgabe desBewertungsPraktikers.
Andreas Creutzmann (Vorstandsvorsitzender EACVA) und Wolfgang Kniest (Geschäftsführer EACVA)
WP/StB Dr. Alexander Brunner, CVA / WP Dr. Lars Franken, CFA: Die Auswirkung der Inflationsrate auf die Bestimmung der Marktrisikoprämie
Im aktuellen Inflationsumfeld sollte die Festlegung der MRP nicht allein auf Basis impliziter Modelle erfolgen; vielmehr sollten auch die Analyse historischer realer Aktienrenditen und aktuelle Inflationserwartungen berücksichtigt werden. Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung sehen wir eine nominale Aktienrenditeerwartung von 8,5% bis 9,0% als plausibel an. Bei einem aktuellen Basiszinssatz zum 01.05.2023 von gerundet 2,25% ergibt sich eine Bandbreite für die MRP von 6,25% bis 6,75%. Bei Bewertungen ist auf Konsistenz der Inflationsannahmen in den zu diskontierenden Überschüssen (einschließlich Wachstumsabschlag in der ewigen Rente) zu den in den Kapitalkosten erfassten Inflationsannahmen zu achten.
WP/StB Andreas Creutzmann, CVA / WP/StB Dr. Jörn Stellbrink, CVA: Notwendige Unterlagen für die Ermittlung objektivierter Unternehmenswerte nach IDW S 1
Im Rahmen des Beitrags wird die Frage diskutiert, welche Unterlagen – i.S. einer Mindestanforderung – zwingend notwendig sind, um einen objektivierten Unternehmenswert nach IDWS 1 zu ermitteln. Dazu werden zentrale Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen erörtert, aus denen sich Anhaltspunkte hinsichtlich der für eine Unternehmensbewertung erforderlichen Unterlagen ergeben.
Prof. Dr. Bernhard Schwetzler, CVA: „Schock – Schluckauf – Verdauung“– dieWirkung von inflationären Schocks auf den Unternehmenswert – Erratum
Der Beitrag von Schwetzler, BWP 2022 S. 34, enthält in einem Rechenbeispiel einen Fehler, wodurch der Effekt des inflationären Schocks auf den Unternehmenswert zu gering ausfällt. Im Folgenden werden dieser Fehler korrigiert und die korrekten Ergebnisse des Rechenbeispiels dargestellt.
Andreas Emmert, CFA, CIA: SUMMEWENNS mit ODER, oder UND?
Datenanalyse und -zusammenfassung ohne Pivot-Tabellen stellt in einigen Fällen eine Herausforderung dar. Die Anwendung der SUMMEWENNS Formel ist in diesem Zusammenhang ein hilfreiches Mittel und kann durch eine clevere Verknüpfungslogik in ihrer Funktionalität erweitert werden.
WP Dr. Frederik Ruthardt, CVA: Börsenwert als Grundlage für die angemessene Abfindung gem. § 305 AktG sowie den angemessenen Ausgleich gem. § 304 AktG
Der BGH hat sich in dem Beschluss vom 21.02.2023 mit der Frage auseinandergesetzt, ob es bei der Bestimmung des Ausgleichs nach § 304 AktG sowie der Abfindung nach § 305 AktG immer einer Ertragswertermittlung bedarf. Entgegen der einhelligen Auffassung der betriebswirtschaftlichen Theorie und Praxis stellt der BGH fest, dass im Einzelfall auch (allein) auf den Börsenkurs als Schätzgrundlage für den Unternehmenswert zurückgegriffen werden kann.
Prof. Dr. Bernhard Schwetzler, CVA / Franziska Rath, M.Sc.: Betafaktoren
In dieser Ausgabe finden Sie Daten aus Refinitiv Eikon zum Stichtag 15.04.2023. Die Zusammensetzung der Branchen orientiert sich an der offiziellen Brancheneinteilung des Prime Standard (Prime All) der Deutschen Börse AG.
Es wurden quartalsweise 2-Jahres Betas mit Tages-Returns über 2 Jahre berechnet. Das 5-Jahres Beta wurde mit Monats-Returns über 5 Jahre berechnet. Als Marktindex dient der CDAX der Deutsche Börse.
Prof. MMag. Dr. StB Stefan O. Grbenic, CVA: Standard-Transaktionsmultiplikatoren
Die dargestellten Transaktionsmultiplikatoren basieren auf den Transaktionsdaten verschiedener M&A-Datenbanken (Schwerpunkt ZEPHYR), wobei Konsistenz sowohl in den Transaktionsdaten als auch in den Bezugsgrößen zwischen den einzelnen Datenbanken hergestellt wurde.
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