am 18. und 19. November 2021 in München
Am 18.11. und 19.11.2021 begrüßte die EACVA in München zahlreiche BewertungsProfessionals zur 14. Jahreskonferenz der EACVA. Das Programm umfasste einen Keynote-Vortrag, eine Podiumsdiskussion sowie 14 Sessions rund um das Thema Unternehmensbewertung. Neben Einsatzmöglichkeiten datenbasierter Analyse und Darstellungstools wie Microsoft PowerBI und ESG-Analysen waren normbasierte Bewertungsthemen zum Familien-, Erb-, Steuer- und Gesellschaftsrecht an zwei Konferenztagen vertreten.
Unter herausfordernden Rahmenbedingungen konnten wir rund 200 Mitglieder, Referenten und Teilnehmende in einer entspannten Atmosphäre im Hilton Munich Park Hotel mit dem „gebotenen Abstand“, aber dafür umso herzlicher begrüßen. Auch das Abendevent mit musikalischer Begleitung von AZA‘s Lounge war rundum gelungen.
Das Programm und die Impressionen der 14. Jahreskonferenz 2021 finden Sie unter www.bewerterkonferenz.de/de/rueckblick.
Im Folgenden werden Zusammenfassungen einiger Vorträge der 14. Bewerterkonferenz dargestellt:
Eröffnungs-Keynote: Die Entwicklung der Weltwirtschaft und Europas unter dem Einfluss der Euro- und der Covid-Krise (Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult. Hans-Werner Sinn)
Den Konferenzauftakt bildete die Eröffnungs-Keynote von Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult. Hans-Werner Sinn zum Thema Die Entwicklung der Weltwirtschaft und Europas unter dem Einfluss der Euro- und der Covid-Krise“. Im Mittelpunkt der Keynote standen die drohende Inflation und deren Ursachen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung in Europa geprägt wird von der globalen Coronavirus-Pandemie, insb. damit verbundenen Lieferengpässen, sowie der enormhohen Zentralbankgeldmenge.
Aufgrund des großen Geldüberhangs, entstanden durch Staatspapierkäufe, sind die Möglichkeiten der EZB, eine Inflation zu bremsen, stark eingeschränkt. Mehrere Anstoßeffekte weisen jedoch auf eine zukünftig ansteigende Inflation hin. Zu diesen Einflussfaktoren gehören der Immobilien-Boom, die Angebotsverknappung durch die Coronavirus-Pandemie, große Konjunktur- und Rettungsprogramme der Politik, die demographische Entwicklung, die Energiewende und das wachsende Dollar-Euro-Zinsdifferential. Als Folge ist nach Auffassung von Sinn auf globaler und europäischer Ebene mit weiteren Inflationswellen zu rechnen. Lesenswert hierzu ist auch sein aktuelles Buch: Die wundersame Geldvermehrung: Staatsverschuldung, Negativzinsen, Inflation.
ESG Case Studies: Vom „Hygienefaktor“ zum Werttreiber für nachhaltige Cashflows (Markus Hesse, MBA, CEFA, CVA)
Können Bewerter ESG als Werttreiber ausblenden? Nachhaltigkeitsanalysen werden häufig mit Rating- und Scoring-Ansätzen gleichgesetzt. Die Kritik dazu ist vielfältig und zum Teil berechtigt. Die Relevanz von ESG-Analysen für Bewerter lässt sich insb. über zwei Themenkreise betrachten:
- Was lässt sich aus eigenen ESG-Analysen für die qualitative Geschäftsmodellanalyse ableiten?
- Inwieweit lassen sich direkte Auswirkungen auf die Cashflows analysieren?
In den Nachhaltigkeitsberichten finden sich für Bewerter relevante Aussagen für das Verständnis der Geschäftsmodelle, d.h. Stärken und Schwächen, und zu Veränderungen des Sektorumfelds mit entsprechenden sektoralen Chancen und Risiken. Somit wird schnell ersichtlich, dass eine typische SWOT-Analyse durch ESG-Analysen besser und vollständiger wird. Es wird z.B. ersichtlich in welchem Maße Unternehmen im Vergleich zum Wettbewerb strukturell besser umsteuern, innovativer sind und eine strategiekonforme Unternehmenskultur und Governance haben.
Hinzu kommen direkte quantitative Aspekte wie Auswirkungen aus CO2-Preisen. Das allein ist aber zu kurz gesprungen. ESG-Maßnahmen zur Erreichung einer Vielzahl an ESG-Zielen ziehen Kosten und Investitionsbedarf nach sich, in einigen Sektoren substanziell. Außerdem führt die relative ESG Positionierung über das Markenprofil zu Nachfrageeffekten. Zunehmend ergeben sich Auswirkungen auf die Kapitalkosten. Eine Vielzahl an Werttreibern wird also tangiert. Unternehmensbewerter die „nachhaltige“ Cashflows plausibilisieren (inklusive Konvergenzphasen) und ESG nicht berücksichtigen, setzen die ESG-Auswirkungen implizit auf Null – und zwar sowohl für 1. die qualitative Analyse als auch für 2. die quantitativen Auswirkungen auf die Cashflows. Eine gewagte These für die Modellierung von Konvergenz (hin zu „Steady-State“) in Zeiten von Transformation.
Verschuldung, Risiko und CAPM: Empirische Befunde bei HDAX-Gesellschaften (Prof. Dr. Leonhard Knoll / Lina Manthey, M.Sc.)
Der Vortrag begann mit konzeptionell-methodischen Aspekten des Themas und ging dann zu einer Veranschaulichung der Relevanz anhand jüngerer Diskussionen im deutschen Sprachraum über.
Selbst wenn man wie die Referenten steuerliche Aspekte weitgehend ausblendet, erweist sich eine konsistente Behandlung des Zusammenhangs von Verschuldung und Risiko wegen der Unterschiede von Eigen- und Fremdkapitalansprüchen hinsichtlich Zahlungscharakteristik und Laufzeit/Duration überaus schwierig. Gerade in einer CAPM-basierten Bewertung ist die Integration des Fremdkapitalrisikos oft nur unter erheblichen Vereinfachungen möglich, die – wie etwa die „indirekte“ Ermittlung des Debt Betas – oft große Probleme aufweisen. Dies zeigten abschließend auch die Ergebnisse einer eigenen empirischen Untersuchung zu börsennotierten Anleihen von im HDAX gelisteten Gesellschaften.
Für die Entscheidung über den Einsatz solcher Vereinfachungen bis hin zur Ausblendung des Debt Betas lässt sich aus theoretischer Sicht keine allgemeingültige Aussage treffen. Umso mehr steht der Bewerter in der Pflicht, seine im Einzelfall getroffene Entscheidung sorgfältig und für die Bewertungsadressaten gut nachvollziehbar zu begründen.[1]
Daher dürfte sich das Merton-Modell vor allem dazu eignen, Fremdkapitalwerte, Fremdkapitalkosten und Unternehmensvolatilitäten von Peer-Group-Unternehmen zu ermitteln. Die gewonnenen Erkenntnisse können dann auf das Bewertungsobjekt übertragen werden, sofern dessen Bewertung auf Basis von Arbitragefreiheitsüberlegungen zulässig ist. Auch für die Bewertung von Start-Up-Firmen können die mit dem Merton-Modell ermittelten Unternehmenswertvolatilitäten von großem Nutzen sein, wenn die Zahlungen an die einzelnen Eigenkapitalgeber unterschiedliche Ränge haben.
[1] Eine ausführliche Zusammenfassung der empirischen Studie in BewertungsPraktiker 2021 S. 106 ff.
Wertkonzepte in der gesellschaftsrechtlichen Unternehmensbewertung – Immer eine Frage der richtigen Perspektive (WP/StB Frederic Werner, CFA)
Konkrete gesetzliche Vorgaben zur Bewertung fehlen im deutschen Gesellschafts-, Umwandlungs- und Übernahmerecht. Das Wertkonzept stellt die Schnittstelle zwischen dem rechtlichen Bewertungsziel und dessen betriebswirtschaftlicher Operationalisierung dar.
Die im IDW S 1 definierten Wertkonzepte zielen mit dem subjektiven Wert und dem Schiedswert auf die Perspektive spezifischer Bewertungssubjekte ab oder berücksichtigen im objektivierten Wert die Perspektive eines „durchschnittlichen“ Investors. In der Rspr. ist weitestgehend unbestritten, dass der objektivierte Wert zu einer Abfindung zum „vollen“ Wert für ausscheidende Gesellschafter führt.
Ausgehandelte Umtauschverhältnisse führen unabhängig von der Verteilung der Synergien nicht zu einer unangemessenen Verwässerung, wenn der Wert der Beteiligung jeder Gesellschaftergruppe am Gesamtunternehmen zumindest den Wert des von dieser eingebrachten Unternehmens erreicht. Für die Beurteilung der Werthaltigkeit einer Sacheinlage ist deren Wert aus der Perspektive der aufnehmenden Gesellschaft inklusive der bei dieser anfallenden Synergien maßgeblich.
Implizite Marktrendite – Konzept, Modelle, Implikationen (Robert Witte, CVA)
In dem Vortrag wurden finanz-theoretische und modell-konzeptionelle Grundlagen sowie ausgewählte Fragestellungen zur impliziten Marktrendite beleuchtet. Auf Basis der vorgestellten Analysen konnte gezeigt werden, dass
- die Auswirkungen derCorona-Krise erkennbar in den impliziten Renditeforderungen der Anleger abgebildet wurden,
- unterschiedliche Modellkonzeptionen bezüglich des Prognosezeitraums zu teilweise stark abweichenden Ergebnissen führen und ein-perioden Modelle die Renditeforderungen der Eigenkapitalgeber insb. in Krisenzeiten unterschätzen, sowie
- ein lokaler Referenzindex die tatsächlich beobachtbare geografische Veranlagung von deutschen und österreichischen Investoren tendenziell besser reflektiert.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass implizite Kapitalkostenmodelle wertvolle Werkzeuge sein können, um die Entwicklung und Einflussfaktoren der tatsächlichen Renditeforderung von Investoren besser zu verstehen, und somit dem Bewerter hilfreiche Erkenntnisse insb. für die Festlegung der Marktrisikoprämie im Rahmen von Unternehmensbewertungen liefern können.
Podiumsdiskussion: Rechtlich normierte Bewertungen im Spannungsfeld zwischen Wert- und Preisfindung
Zum Abschluss der Konferenz trafen sich zu einer Podiumsdiskussion zum Thema Rechtlich normierte Bewertungen im Spannungsfeld zwischen Wert- und Preisfindung:
- Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Ballwieser, LMU München
- Dipl.-Kfm. Thomas Herrmann, Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung Düsseldorf
- VRiLG Dr. Helmut Krenek, LG München
- WP/StB Prof. Dr. Klaus Rabel, CVA, Rabel & Partner
- WP Dr. Frederik Ruthardt, CVA, Ebner Stolz und
- Dr. Andreas Tschöpel, CVA, CIIA, CEFA, KPMG
Es wurde die Diskussion um Wert- und Preiseinflüsse aufgegriffen und derenzweckadäquate Berücksichtigung insb. bei steuerlichen und gesellschaftsrechtlichen Bewertungsanlässen von unterschiedlichen Positionen reflektiert. Aktuell befinden sich sowohl der IDWS 1 als auch der KFS BW 1 in Österreich in Überarbeitung. Entwurfsfassungen lagenzwar noch nicht vor, jedoch konnten bereits Entwicklungslinien von den Podiumsteilnehmern diskutiert werden.
Quelle: BewertungsPraktiker 1/2022, S. 29–31.