am 3. und 4. November 2022 in Wien
Unsere 15. Jubiläumskonferenz 2022 für alle BewertungsProfessionals fand am 3. und 4. November 2022 erstmals in der schönen Stadt Wien statt. Einschätzungen renommierter Vortragender zu hochaktuellen Themen wie Inflation, (Wirtschafts-)Krieg, Berücksichtigung geopolitischer Risiken, Krisenauswirkungen auf unsere Real- und Finanzwirtschaften waren der Startpunkt unserer Diskussionen.
Weitere "Spezialthemen“ wie bspw. aktuelle Entwicklungen im Standardsetting in Deutschland, Österreich und der Schweiz, Bewertung von VC Investments, Artificial Intelligence Technology, Auswirkung der Krisen auf die Bewertung der Hotel- und Betreibermärkte sowie ESG wurden den BewertungsProfessionals präsentiert.
Die EACVA konnte – zum ersten Mal in Österreich – rund 350 Mitglieder, Referenten und Teilnehmende in einer entspannten Atmosphäre im Austria Trend Hotel Savoyen Wien begrüßen. Das Abend-Event im prunkvollen Gartenpalais der fürstlichen Familie Liechtenstein mit einem Gala-Dinner und musikalischer Begleitung von Jazzophoniker bot neben dem Genuss der ausgestellten Kunst auch reichlich Zeit für inspirierende Gespräche und hochkarätiges Networking.
Das Programm und die Impressionen der 15. Jahreskonferenz 2022 finden Sie unter www.bewerterkonferenz.de/de/rueckblick.
Im Folgenden werden Zusammenfassungen einiger Vorträge der 15. Bewerterkonferenz dargestellt:
Eröffnungs-Keynote: Outright Economic Warfare: can it (and should it) be contained? (Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Blum)
Den Auftakt zur 15. EACVA Jahreskonferenz gab Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Blum mit der Eröffnungs-Keynote zum Thema „Outright Economic Warfare: can it (and should it) be contained?“ Der Vortrag startete mit einer detaillierten Beschreibung der aktuellen globalen Risiken und möglicher Motivationen, diese gezielt als Waffe einzusetzen, sowie einer stringenten Definition des Begriffs Wirtschaftskrieg und dessen Abgrenzung vom Begriff Wettbewerb. Prof. Blum zeigte anschließend die geotektonischen Verwerfungslinien auf und erörterte ihre Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Wert. Die Frage „Wollen wir den Wirtschaftskrieg eindämmen?“ bildete den Ausgangspunkt für die Darstellung einer anthropologischen ökonomischen Perspektive auf den Wirtschaftskrieg.
Aktuelle Entwicklungen von (impliziten) Marktrenditen und Marktrisikoprämien und die Bedeutung der Auswahl des Marktportfolios (WP/StBMMag.Marcus Bartl, CVA / Prof. Dr.Werner Gleißner)
Bewerten heißt vergleichen. Diesem Grundsatz folgend wird in der Bewertungstheorie das Bewertungsobjekt immer mit einer Alternativinvestition verglichen, um den Wert zu bestimmen. Ein wesentlicher Modellbaustein für die dafür erforderlichen risikoadäquaten Renditeanforderungen ist die Rendite auf das sog. Marktportfolio – also ein Portfolio bestehend aus allen weltweit möglichen Wertpapieren und Wertgegenständen. In der Realität existiert so ein Marktportfolio nicht. Für die Praxis der Bewertung, speziell von Unternehmen, benötigt man also eine andere Alternativinvestitionsmöglichkeit mit unsicherer Rendite. Meist wird statt des Marktportfolios ein geeigneter Aktienindex gewählt. Die Wahl des Index wird aktuell in der Bewertungspraxis intensiv diskutiert.
Zur Auswahl stehen lokale Indizes, welche die geografische Präsenz des Bewertungsobjekts widerspiegeln und breitere Indizes, die auch eine entsprechend hohe geografische Abdeckung aufweisen. Ein geeignetes Gütekriterium zur Bestimmung des angemessenen Index für die Ermittlung der Marktrendite ist die sog. Sharpe Ratio, also das Rendite/Risiko-Verhältnis eines Portfolios. Je größer die Risikoprämie je Einheit Risiko (Standardabweichung der Rendite) ist, umso geeigneter ist das Portfolio als Alternativinvestment. Ein rational handelnder Investor wird eine riskante Anlagemöglichkeit (Aktienmarktindex) als Alternative zum Bewertungsobjekt (Unternehmen) betrachten und auf dieser Grundlage die Risikoprämie ableiten. Empirische Untersuchungen zeigen, dass die Indizes MSCI World und STOXX Europe 600 konstant hohe Sharpe Ratios aufweisen und somit geeigneter sind als lokale Indizes wie der ATX Prime.
Unternehmensbewertung bei dividendenorientierter Finanzierung (Prof. Dr. Stefan Dierkes)
In der Unternehmensbewertung wird zumeist von einer autonomen oder wertabhängigen Finanzierung ausgegangen. Demnach wird zunächst die Verschuldungspolitik eines Unternehmens festgelegt, woraus sich dann eine residuale Ausschüttungspolitik mit Ausschüttungsquoten ergibt, die unsicher sind und erheblich streuen können. Empirische Studien zeigen jedoch, dass die Erreichung einer Ausschüttungsquote für Unternehmen von großer Bedeutung ist.
In diesem Vortrag wurde mit der dividendenorientierten Finanzierung eine neue Finanzierungspolitik präsentiert, die durch eine deterministische Ausschüttungsquote gekennzeichnet ist. Ausgehend von einer deterministischen Ausschüttungsquote leitet sich eine Verschuldungspolitik als Kombination aus autonomer und wertabhängiger Finanzierung ab. Bei der Analyse des Zusammenhangs zwischen den Eigenkapitalkostensätzen des verschuldeten und unverschuldeten Unternehmens zeigt sich, dass der Eigenkapitalkostensatz des verschuldeten Unternehmens mit zunehmender Ausschüttungsquote ansteigt.
In einer ergänzenden Analyse der Effekte der unterschiedlichen Finanzierungspolitiken auf Unternehmenswerte, Eigenkapitalkostensätze, Ausschüttungsquoten, Fremdkapitalquoten und Fremdkapitalbestände wird gezeigt, dass die dividendenorientierte Finanzierung im Vergleich zur autonomen und wertabhängigen Finanzierung zu mittleren Bewertungsergebnissen mit einer höheren Plausibilität führt.
Special Cases in the Valuation of Venture Capital Investments (Dr. Christoph Engel, CFA, CVA)
Venture capital investments predominantly involve equity instruments within a complex multi-layer capital structure. The presentation, at first, introduces OPM-based methodologies for the exit-oriented valuation of preferred shares commonly used in Venture Capital investments.
Second, the structuring and the distribution mechanism of participating and non-participating preferred shares are compared. A valuation technique for participating and non-participating preferred shares is introduced and the impact of the different distribution schemes to the value of the preferred shares is analysed. It is shown that the value of preferred sharesmay significantly deviate fromthe proportionate shareholding in a company’s capital.
Third, interrelations between primary and secondarymarket transactions are discussed. An exemplary case shows, that a combined pricing of a primary and a secondary transaction with one single investormay send erroneous signals regarding the company value. Finally, dilutive effects of share-based payments are analysed. An example explains, how share options can technically be considered in the distribution waterfall of valuation model. Results reveal that dilutive effects of share options are significant, but on a value basis smaller than the percentage dilution of the share basis in case of a complete exercise of all options. A summary concludes.
Peer Group Selection Using Artificial Intelligence Technology (StB Prof. PD MMag. Dr. Stefan O. Grbenic, CVA / Prof. ddr. Timotej Jagrič, CQRM)
Die Vortragenden starteten mit einer Darstellung von verschiedenen Strategien und Auswahlkriterien für Peer-Group- Unternehmen im Rahmen der Bewertung mittels Transaktionsmultiplikatoren. Des Weiteren wurde auch der Einfluss der Faktoren Größe und Zusammensetzung der Peer Group diskutiert.
Im zweiten Teilwurden zunächst die Anwendungsmöglichkeiten der Technologie Künstliche Intelligenz in der Unternehmensbewertung erörtert. Im Anschluss wurden maschinelle Lernalgorithmen vorgestellt. Welche Typen von Algorithmen gibt es? Welche Eigenschaften und insb. welche Anwendungsleistungen haben diese? Abschließend wurde die Frage diskutiert: „Kann künstliche Intelligenz bzw. Machine Learning bessere Peer Groups erstellen?“.
Wer hat’s erfunden? Unternehmensbewertung in der Schweiz (WP/StB Prof. Dr. Tobias Hüttche, CVA)
Die Präsentation lieferte einen interessanten Überblick über die historische Entwicklung sowie die aktuellen Rahmenbedingungen der Unternehmensbewertung in der Schweiz und dabei insb. zum Berufsstand, der Gesetzgebung und der Rspr. Weitere Themen waren die Darstellung der Besonderheiten von KMU und deren Bewertung in der Schweiz sowie die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Bewertungspraxis zu Deutschland und Österreich.
Plausibilitätsbeurteilungen von Planungsrechnung in der Praxis: Vorbereitung und Durchführung anhand eines praktischen Beispiels (WP/StB Susann Ihlau)
Im ersten Teil des Vortrags erfolgte zunächst eine detaillierte Analyse der GuV-Planung – Absatzpreise und -mengen, Rohertragsmarge, Personalkosten etc. – anhand eines praktischen Beispiels. Darauf aufbauend wurde eine Analyse der Abschreibungs- und Investitionsplanung sowie der Bilanzplanung – insb. des Working Capital und des Nettofinanzstatus – durchgeführt. Im dritten Teil wurden Annahmen zur Grobplanungsphase und zum Terminal Value an dem konkreten Praxisbeispiel plausibilisiert.
Betaermittlung bei geringer Aktienliquidität: konzeptionell und messtechnisch relevant? (Prof. Dr. Leonhard Knoll)
In mehr als 90% aller Spruchverfahren wird der Betafaktor über eine Peer Group ermittelt und als häufigste Begründung hierfür wird eine geringe Aktienliquidität beim Bewertungsobjekt genannt. Der Vortrag von Prof. Knoll zeigte auf, dass im Normalfall weder konzeptionell noch mess-technisch gute Gründe für die Ablehnung des eigenen Betas des Bewertungsobjekts vorliegen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass beim Bewertungsobjekt unverzerrte Kurse vorliegen müssen, denn auch für eine Reihe von Verzerrungen des Aktienkurses kann der gemessene Betafaktor unverzerrt sein.
Bestehen trotzdem Zweifel an der Verwendbarkeit des eigenen Betas, ist vor dem schnellen Wechsel auf eine Peer Group zu prüfen, ob nicht eine der bekannten Modifikationen des üblichen Schätzverfahrens vorzuziehen ist. Die Verwendung des Aktienkurses als Bewertungsverfahren ist in diesem Fall ungeachtet ihrer weiteren Probleme schon aussagenlogisch zu verwerfen.
Accounting Red-Flags and Other Accounting Topics: Latest Thinking (Dr. Kenneth Lee, CFA)
The presentation focused on the latest research on accounting red f lags and how these are important for valuers: Valuers need to think about the quality of accounting as these reported numbers form the foundation of most valuations. Accounting red flag frameworks are an efficient approach to developing a score which valuers can then use to judge the quality of accounting. The latest research uses machine learning and artificial intelligence to develop new insights into which measures work best as red flags. This research reveals that accounting metrics work best with other metrics such as those relating to audit, governance and market variables.
Dr. Lee presented a sample frameworkwhich consisted of 7 factors:
- Accounting
- Soft assets: The non-PP&E and cash assets that may be more susceptible to accounting choice.
- Working capital accruals: A well-established earnings quality measure.
- Leverage: High levels of leverage can motivate firms to be aggressivewith their accounting.
- Audit
- Unexpected audit fee: Audit fees abovemodelled expectations.
- Non-audit fees paid to auditors: High levels undermine independence.
- Audit tenure: Long audit tenuresmay undermine independence.
- Governance
- Strategic Institutional ownership: High levels indicate sophisticated investors own the company and so thismay prevent aggressive accounting for fear itwill be spotted.
Wandel der Hotel- und Betreibermärkte in der DACH-Region: Status quo zu Pandemie, Inflation und Ukraine-Krieg.Was bringt 2023? (Martin Schaffer)
Der Vortrag von Martin Schaffer gab einen Einblick in die aktuelle Situation und Entwicklung der Branche Hotel und Gastgewerbe und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Bewertung von Hotelimmobilien. Eingehend wurde erörtert, welche Veränderungen es für die Hotelbranche seit Ausbruch der Coronavirus-Pandemie gibt? Anschließend wurden die Reaktionen der Hotelbetreiber und die Wirkungen auf die Betreibermärkte analysiert (Änderungen von Hotelverträgen etc.). Weitere Themen des Vortrags waren die hohe Inflation, Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine und fehlende Mitarbeiter. Es wurde erörtert, welche Auswirkungen diese Themen auf den operativen Hotelbetrieb und damit auch auf den Wert einer Immobilie haben.
Auditors and Judges on the Quest for a Fair Compensation of Minority Shareholders: German Evidence (Prof. Dr. Andreas Schüler)
In case of a freeze-out or a domination and/or profit and loss transfer agreement,minority shareholders have to be compensated fairly. German corporate law and case law provide the legal framework for these instances for German listed companies. The paper deals with the quest of auditors and judges for a fair compensation. It follows the major steps to derive the final compensation per share. The majority shareholder offers a compensation that is laid out in a report by auditors mandated by her.
A second report is written by court-appointed auditors. Minority shareholders apply for an appraisal proceeding almost every time. The predominant method used is a discounted cashflow (DCF) valuation. Either by court decision or settlement, the compensation initially offered is increased on average by about 16% or about 22% of the share price. After a critical analysis of how auditors value a company based on about 280 appraisal reports, the paper asks which components of these valuations are changed in court later, and what drives the judicial changes differentiating between the level of regional courts and higher regional courts and between several subperiods. The relevance of the DCF method illustrates that a compensation based upon the share price is not considered sufficient by both auditors and judges for many firms. Corporate Cashflow forecasts can be considered optimistic. Deviations from valuation theory regarding the derivation of the RADR and the modelling of the terminal value tend to be value decreasing. Some of these deviations from valuation theory are amended in court, (but only) if the correction increases the compensation. The paper reveals room for improvement in terms of transparency and data availability for both appraisal reports and court decisions and recommends a better preparation of changes in the valuation standard.
Rendite- und Wachstumsannahmen in Terminal-Value-Berechnungen (Prof. Dr. Bernhard Schwetzler, CVA)
Prof. Schwetzler präsentierte in seinem Vortrag die Ergebnisse einer empirischen Studie, die über 160 deutsche Bewertungsgutachten bezüglich Rendite- und Wachstumsannahmen in den Terminal-Value-Berechnungen untersuchte. Diskutiert wurden insb. die Themen nominale Renditen als Performance-Maßstab und mögliche Verzerrung der Ergebnisse, alternativ: die wertneutrale Thesaurierung und direkte Anrechnung des Betrags sowie die These/Frage „Wertneutrale wachstumsbedingte Thesaurierung: unmöglich oder suboptimal?“.
Abschluss-Keynote: (Prof. Bradford Cornell)
Abschließend erfolgte eine Erläuterung verschiedener Potenziale für robuste Staaten und Unternehmen. Prof. Bradford Cornell beleuchtete in der Schluss-Keynote „ESG and Shareholder Value Maximization“ das Thema ESG und dessen Auswirkungen insb. auf Kapitalkosten, Renditen, strategische Planung sowie die Unternehmensbewertung im globalen Kontext.
Quelle: BewertungsPraktiker 1/2023, S. 21–24.